Genfer Konferenzen

Genfer Konferenzen
Gẹnfer Konferẹnzen,
 
internationale Verhandlungen in Genf mit unterschiedlichen Teilnehmern und Zielen. Es gab u. a. folgende Konferenzen:
 
 1) Gẹnfer Abrüstungskonferenz, vorbereitet (1925 bis 1931) von einer Abrüstungskommission des Völkerbundes, einberufen von diesem am 2. 2. 1932, Verhandlungsplattform von 61 Staaten über Rüstungsabbau und kollektive Sicherheit, stand politisch im Zeichen der deutschen Forderungen nach militärischer Gleichberechtigung und den auf die Erhaltung der militärischen Sicherheit Frankreichs bedachten französischen Bemühungen. In einer Erklärung vom 11. 12. 1932 erkannten Frankreich, Großbritannien, Italien und die USA den deutschen Anspruch im Rahmen einer allgemeinen Abrüstung an. Der französische Plan einer vierjährigen Übergangsfrist bis zum Beginn der Abrüstung bot Hitler die Gelegenheit, am 14. 10. 1933 nicht nur die deutschen Vertreter von der Abrüstungskonferenz zurückzuziehen, sondern auch den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund zu verkünden. 1935 wurde die Konferenz ergebnislos abgebrochen.
 
 2) Gẹnfer Indochinakonferenz (26. 4.-21. 7. 1954); Teilnehmer: Frankreich und die mit ihm im Rahmen der »Französischen Union« assoziierten Staaten Kambodscha, Laos und Vietnam, Vertreter der kommunistisch geführten vietnamesischen Aufständischen (Vietminh) sowie die Volksrepublik China, Großbritannien, die UdSSR und die USA. In ihrer Schlusserklärung vereinbarten sie einen Waffenstillstand im Indochinakrieg, die Lösung Kambodschas, Laos' und Vietnams aus den staatlichen Bindungen an Frankreich, den Rückzug der Vietminh in eine nördliche Zone Vietnams, den Rückzug der französischen Truppen und ihrer vietnamesischen Verbündeten in eine südliche Zone, die Errichtung einer »entmilitarisierten Zone« (von 5 km Breite beiderseits des Flusses Song Ben Hai) sowie Wahlen in ganz Vietnam zur Wiederherstellung seiner Einheit (Vietnam, Geschichte).
 
 3) Gẹnfer Gipfelkonferenz (18.-23. 7. 1955), Treffen der Regierungschefs Frankreichs (E. Faure), Großbritanniens (A. Eden), der UdSSR (N. A. Bulganin, begleitet von N. S. Chruschtschow) und der USA (D. D. Eisenhower) mit dem Ziel, die Spannungen in den internationalen Beziehungen (den »Kalten Krieg«) abzubauen. Im Mittelpunkt der Verhandlungen standen Fragen der deutschen Wiedervereinigung (2. Edenplan zu Deutschland; erstmals offene Vertretung der Zweistaatentheorie durch die UdSSR), der Abrüstung sowie der allgemeinen Verbesserung der Ost-West-Beziehungen (Entspannung).
 
 4) Gẹnfer Außenministerkonferenz (27. 10.-16. 11. 1955), Treffen der Außenminister Frankreichs (A. Pinay), Großbritanniens (H. Macmillan), der UdSSR (W. M. Molotow) und der USA (J. F. Dulles) mit dem Ziel, zu den auf der Genfer Gipfelkonferenz behandelten Themen praktischer Lösungsvorschläge zu erarbeiten (u. a. modifizierter Edenplan; Vorschlag einer deutschen Konföderation durch die UdSSR); endete ohne Fortschritte.
 
 5) Gẹnfer Außenministerkonferenz, Viermächte-Außenministerkonferenz (11. 5.-20. 6. und 13. 7.-5. 8. 1959), Treffen der Außenminister der UdSSR (A. A. Gromyko), der USA (C. A. Herter), Frankreichs (M. Couve de Murville) und Großbritanniens (S. Lloyd). Die Außenminister der Bundesrepublik Deutschland (H. von Brentano) und der DDR (L. Bolz) waren als »Berater« anwesend. Die Konferenz wurde beeinflusst von der Berlinkrise, die durch das Berlinultimatum des sowjetischen Partei- und Regierungschefs N. S. Chruschtschow (27. 11. 1958 entstanden war. In Anknüpfung an den Edenplan von 1954 (Edenpläne) legte Herter in der ersten Phase der Konferenz im Namen der Westmächte einen Stufenplan vor (Herterplan), der die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands mit dem Problem der europäischen Sicherheit und dem Abschluss eines Friedensvertrags mit Gesamtdeutschland verband. Gromyko bestand auf dem Abschluss eines Friedensvertrags (Entwurf vom 10. 1. 1959, anknüpfend an die Stalin-Note vom 10. 3. 1952), der von einem paritätisch besetzten Ausschuss der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ausgearbeitet und einer internationalen Friedenskonferenz vorgelegt werden sollte. Die Westmächte und die UdSSR lehnten die Vorschläge der jeweils anderen Seite ab. Mit der Genfer Konferenz waren endgültig alle alliierten Pläne zur deutschen Wiedervereinigung gescheitert.
 
 6) Gẹnfer Laoskonferenz (16. 5. 1961-23. 7. 1962), eine internationale Konferenz unter dem Vorsitz Großbritanniens und der UdSSR; weitere Teilnehmer waren: Birma, Volksrepublik China, Frankreich, Indien, Kambodscha, Kanada, Polen, Thailand, USA, Demokratische Republik Vietnam und Republik Vietnam sowie die rivalisierenden laotischen Gruppierungen. In einem Abkommen (23. 7. 1962 beschloss die Konferenz die Neutralisierung von Laos und die Einsetzung einer internationalen Kontrollkommission, um politisch eine Voraussetzung für die Beilegung des Bürgerkriegs zu schaffen und die Einmischung von außen zu beenden.
 
 7) Gẹnfer Abrüstungskonferenz der 18 Mächte (1962-69), die unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stattfand, umbenannt (1969) in Abrüstungsausschuss der Vereinten Nationen, 1962 nach einer ergebnislosen, von Mächten der NATO und des Warschauer Paktes paritätisch besetzten Genfer Zehnmächte-Abrüstungskonferenz (15. 3. bis 29. 4. 1960) einberufen, setzte sich 1962-69 aus Staaten der NATO, des Warschauer Paktes sowie Vertretern der blockfreien Länder zusammen. Seit 1969 umfasste die Konferenz als Institution der Vereinten Nationen 26 Mitglieder 1984 erfolgte die Umbenennung in Abrüstungskonferenz, der (1996) 39 Mitgliedstaaten angehören. Diese arbeitet jährlich in zwei Sitzungsperioden sowie mit Ad-hoc-Ausschüssen zu Problemen der Rüstung und Abrüstung. Im Rahmen dieser Konferenzen konnte 1967 der Weltraumvertrag (Weltraumrecht), 1968 der Kernwaffensperrvertrag, 1972 das B-Waffen-Abkommen und 1993 das C-Waffen-Abkommen unterzeichnet werden.
 
 8) Gẹnfer Nahostkonferenz, am 21. 12. 1973 eröffnet, führte Israel und seine arabischen Nachbarn (Ägypten, Jordanien; später Syrien) unter dem Vorsitz der USA und UdSSR zu Gesprächen über eine Lösung des Nahostkonfliktes zusammen. Am 18. 1. 1974 unterzeichneten Israel und Ägypten, am 31. 5. 1974 Israel und Syrien Truppenentflechtungsabkommen. Die Wiedereinberufung der vertagten Konferenz scheiterte; Israel lehnte bis 1991/93 die Teilnahme von Palästinensern beziehungsweise der PLO an einer Nahostkonferenz ab.
 
 9) Gẹnfer Jugoslawi|enkonferenz, Gẹnfer Bọsni|enkonferenz, unter dem Vorsitz von UNO und EG seit dem 3. 9. 1992 mit Unterbrechungen in Genf tagende Konferenz, beruhend auf den Beschlüssen der Londoner Jugoslawienkonferenz vom 26.-28. 8. 1992, zur Beendigung der Kampfhandlungen im früheren Jugoslawien, der bedingungslosen Beachtung der Menschenrechte und u. a. der Unterstellung der schweren Waffen unter UN-Aufsicht. Der von den Vermittlern C. Vance und Lord David Owen, den Vorsitzenden der Konferenz bis 1993, am 28. 10. 1992 vorgelegte Friedensplan zur Lösung des Konflikts in Bosnien und Herzegowina (Aufteilung in zehn weitgehend autonome Provinz; je drei für die Muslime, Serben und Kroaten, daneben die multinationale Hauptstadt Sarajevo) sowie ein am 28. 8. 1993 von den Vermittlern Lord Owen und T. Stoltenberg vorgelegter Kompromissplan zur »Union der vereinigten bosnischen Republiken« der drei Volksgruppen scheiterten. Der am 5. 7. 1994 von der am 25./26. 4. 1994 gebildeten »(Internationale Bosnien-)Kontaktgruppe« unterbreitete Vorschlag zur Aufteilung des Territoriums von Bosnien und Herzegowina an die bosnischen Serben (zu 49 %) und die muslimisch-kroatische Konföderation (zu 51 %) führte nach der Grundsatzeinigung auf der Genfer Konferenz (8. 9. 1995) schließlich - über das Abkommen von Dayton - zum Friedensvertrag von Paris (14. 12. 1995). Die Genfer Konferenzen übernahm die Überwachung seiner Verwirklichung.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Genfer Gipfelkonferenz — Die Genfer Gipfelkonferenz von USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich fand vom 18. bis 23. Juli 1955 statt und war das erste Treffen der Staats und Regierungschefs der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, da bei der Potsdamer Konferenz… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Konferenz — ist der Name verschiedener internationaler Konferenzen: Genfer Konferenz 1863 auf Anstoß des Internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege, dem Vorläufer von Internationalen Komitee vom Roten Kreuz Genfer Konferenz… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Abkommen von 1949 — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine wichtige Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Konvention — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine wichtige Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Konventionen — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine essentielle Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Recht — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine wichtige Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik — Das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) ist eine internationale Stiftung, die 1995 nach Schweizer Recht mit dem Ziel die „Verbreitung und Etablierung von Frieden, Sicherheit und Stabilität zu fördern“, gegründet wurde. Das GCSP wurde vom …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Internationales Zentrum für Humanitäre Minenräumung — Das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung ist eine internationale Organisation, die sich für die Beseitigung von Antipersonenminen und den humanitären Auswirkungen anderer Landminen und explosiver Kriegsmunitionsrückstände… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung — Das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung ist eine internationale Organisation, die sich für die Beseitigung von Antipersonenminen und den humanitären Auswirkungen anderer Landminen und explosiver Kriegsmunitionsrückstände… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Außenministerkonferenz — Die Genfer Außenministerkonferenz war das zweite Treffen der vier deutschen Besatzungsmächte im Jahr 1959 in Genf. Das erste Außenministertreffen, die Genfer Gipfelkonferenz, fand zuvor im Jahr 1955 in Genf statt. Verlauf Im Jahr 1959 trafen sich …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”